Maronen – Die heilende Kraft der Edelkastanie im Klosterwissen von Hildegard von Binge

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  Hildegard von Bingen schrieb der Edelkastanie eine besondere Kraft zu: Sie helfe, das Herz zu festigen und die Melancholie zu vertreiben. Für sie war die Kastanie ein Symbol des Lichts – ein Baum, der den Menschen in dunklen Zeiten Hoffnung schenkt. Wenn die ersten Herbstnebel kamen, sammelten die Brüder die glänzenden Früchte, trockneten oder rösteten sie und bewahrten sie sorgfältig für die kalten Monate auf. Doch hinter dieser schlichten Tätigkeit verbarg sich tiefes Wissen: die Erkenntnis, dass Nahrung auch Heilung sein kann. Hildegard von Bingen schrieb in ihrer Physica , dass der Kastanienbaum „eine große Kraft in sich trägt, um das Gehirn zu stärken und die Melancholie zu vertreiben“. Sie empfahl, regelmäßig Maronen zu essen, um den Geist zu klären und das Herz zu festigen. Für sie war die Kastanie eine Pflanze des Lichts – eine, die den Menschen aufrichtet und ihm seelische Ruhe schenkt. In den Klosterküchen wurden Maronen zu Mehl gemahlen und mit Honig vermischt, um ...

„Die Grüne Fee“ zwischen Rausch, Kunst und Klosterkräutern

 


Ein bitteres Wiedersehen

Ich habe bereits früher über Wermut geschrieben – über seine Rolle als Aperitif, als Cocktail-Zutat, als stilvolles Getränk mit einer gewissen Bitterkeit. Doch dieses Mal möchte ich tiefer gehen. Ich will nicht über den Geschmack sprechen, sondern über die Geschichte der Pflanze, über ihre mythische Aura, ihre medizinische, erotische und künstlerische Reise durch die Jahrhunderte.

Denn Wermut ist mehr als eine Zutat in einem Glas Martini. Er ist ein kulturelles Symbol, ein Spiegel von Lust, Kontrolle, Wahnsinn und Inspiration. Vom mittelalterlichen Klostergarten bis zu den verrauchten Pariser Cafés, von Nonnen zu Nihilisten, von Hildegard von Bingen bis Oscar Wilde – diese Pflanze hat Welten bewegt.

In diesem Artikel lade ich euch ein, gemeinsam mit mir der Spur der „Grünen Fee“ zu folgen: bitter, betörend, berauschend.

1. Wer hat den Wermut verlobt? – Eine kurze Geschichte der Bitterkeit

Wermut – vom althochdeutschen wermuota („der Gesunde Mut“) – ist mehr als ein bitterer Aperitif. Er ist ein Symbol, eine kulturelle Chiffre, eine Droge der Dichter und Denker, der Nonnen und Nächte. Seine Ursprünge reichen bis in die Antike zurück: Als Heilwein mit Beigaben wie Beifuß, Anis, Fenchel und vor allem Artemisia absinthium – dem sagenumwobenen Wermutkraut.

Im 18. Jahrhundert wird in der Westschweiz der erste „moderne“ Absinthe destilliert – später perfektioniert in Frankreich und Italien. Doch mehr als nur eine Spirituose, wurde Wermut bald ein Lebensgefühl – eine Art geheimnisvolle Verlobung zwischen Natur, Kunst und Dekadenz.


2. Hildegard von Bingen und die sedierende Kraft der Kräuter

Bereits im Mittelalter erkannte Hildegard von Bingen – Benediktinerin, Mystikerin und Universalgelehrte – die Wirkung des Wermutkrauts. In ihren medizinischen Schriften beschrieb sie die Pflanze als heiß, bitter, reinigend – doch auch gefährlich. Wermut sollte das „überschüssige Blut“ kühlen, das mit sexueller Begierde in Verbindung gebracht wurde.

In den Klöstern wurde der Wermut daher oft als „sexuelles Sedativ“ eingesetzt – eine Art pflanzliche Kontrolle über das Begehren. Nicht zufällig wurde er Frauen, insbesondere Nonnen, verabreicht, um die „fleischliche Versuchung“ zu zähmen. Der bitter-heilige Beigeschmack blieb dem Getränk bis heute erhalten.


3. Die Grüne Fee – Wermut und Absinthe als Droge der Bohème

Im 19. Jahrhundert feiert der Absinthe seinen triumphalen – und fatalen – Aufstieg in den Salons, Ateliers und Cafés von Paris, Zürich und Wien. „La Fée Verte“, die grüne Fee, wurde zur Muse der Moderne. Mit ihrer leuchtenden Farbe, ihrer geheimnisvollen Zubereitung und ihren halluzinogenen Effekten wurde sie zur Droge der Künstler, Rebellen und Visionäre.

Berühmte Absinth-Trinker:

  • Charles Baudelaire – suchte im Absinth den „künstlichen Himmel“

  • Arthur Rimbaud & Paul Verlaine – Liebende und Getriebene im Dunst der grünen Fee

  • Vincent van Gogh – soll unter Absinth-Einfluss sein Ohr abgeschnitten haben

  • Oscar Wilde – sprach von „Engeln, die in grünem Licht tanzen“

Absinthe war kein gewöhnliches Getränk. Es war eine Substanz, ein Ritual, ein ästhetischer Akt. Es erlaubte das Träumen mit offenen Augen – und das Zerfallen der Grenzen zwischen Realität und Fantasie.


4. Die „Grüne Stunde“ – wenn Paris grün wurde

Zwischen 17:00 und 19:00 Uhr begann in den Cafés Montmartres die berühmte „Grüne Stunde“ (l’heure verte). Dann strömten Poeten, Maler, Huren, Dandys und Müßiggänger zusammen, um das Ritual zu zelebrieren:

  1. Ein Schuss Absinthe ins Glas

  2. Eine spezielle Löffelauflage mit einem Zuckerwürfel

  3. Kaltes Wasser tröpfelte langsam darüber

  4. Der klare Absinthe verwandelte sich in eine milchig-grüne „Louche“ – fast wie Nebel oder Opium im Glas

In dieser Stunde entstanden Gedichte, Affären, Wahnsinn und Meisterwerke.


5. Dämonisierung, Verbot – und Wiedergeburt

Um 1915 wurde Absinthe in Frankreich, der Schweiz und den USA verboten – angeblich verantwortlich für Wahnsinn, Gewalt und körperlichen Verfall. Die Grüne Fee wurde zur Dämonin erklärt, eine Muse, die zu viel gab – und zu viel nahm.

Doch seit den 2000er Jahren erlebt sie eine Renaissance. Neue Abfüllungen, legale Rezepturen und ein Hauch nostalgischer Romantik machen Wermut und Absinthe wieder modern – diesmal mit Respekt vor der Vergangenheit.


Fazit: Zwischen Kloster und Kabarett

Wermut – ob als heiliger Trank der Nonnen oder sündige Droge der Bohème – ist ein Symbol der Ambivalenz: bitter und süß, heilend und zerstörerisch, göttlich und gefährlich. Die Grüne Fee tanzt weiter – zwischen den Zeilen der Lyrik, in den Schatten der Nacht und in jedem Glas, das mehr als nur betrunken macht.

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