Hanf in der mittelalterlichen Medizin
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Avicenna (Ibn Sina) |
Heilpflanzen im Licht des „Kanon der Medizin“
Im Schatten der mittelalterlichen Klostermauern Europas flüsterten nicht nur lateinische Manuskripte – auch die Weisheit des Orients fand ihren Weg in die Heilkunst. Einer ihrer größten Übermittler war Avicenna, bekannt auch als Ibn Sina, ein persischer Arzt, Philosoph und Universalgelehrter des 11. Jahrhunderts.
Avicennas Hauptwerk, der „Kanon der Medizin“ (al-Qānūn fī aṭ-Ṭibb), wurde im 12. Jahrhundert ins Lateinische übersetzt und avancierte zum Standardwerk der europäischen Medizinuniversitäten – sogar bis ins 17. Jahrhundert.
Doch was ihn so besonders macht, ist nicht nur das medizinische Wissen, sondern die Verbindung von griechischer, römischer, arabischer und persischer Heilkunde, durchdrungen von einer tiefen spirituellen Dimension.
In Avicennas Sicht waren Pflanzen nicht nur stoffliche Heilmittel, sondern Ausdruck einer kosmischen Ordnung. Jede Pflanze hatte einen Platz, eine Aufgabe – und eine innere Qualität. Besonders geschätzt wurden:
Rosenblüten (Rosa damascena) – für Herz, Nerven und das Gemüt
Myrrhe (Commiphora myrrha) – als Reinigungsmittel für Wunden und Seele
Süßholz (Glycyrrhiza glabra) – zur Linderung innerer Hitze und seelischer Spannungen
Kümmel und Schwarzkümmel – zur Stärkung des „inneren Feuers“ (Verdauung & Lebensgeist)
Wie auch Hildegard von Bingen unterschied Avicenna zwischen Temperamenten und Elementen (Feuer, Wasser, Luft, Erde). Jede Pflanze hatte eine Qualität – warm, kalt, trocken oder feucht – und wurde entsprechend zur Harmonisierung der Körpersäfte eingesetzt.
Obwohl Avicenna aus dem islamischen Raum stammte, war sein Einfluss in christlichen Klöstern tiefgreifend. Mönche und Nonnen studierten seine Werke, kopierten seine Erkenntnisse, und viele seiner Empfehlungen fanden Eingang in die klösterlichen Herbarien und Gärten.
Avicenna steht heute für eine Medizin, die weit über Symptome hinausblickt – sie sucht Gleichgewicht, Sinn und Ganzheit. Seine Heilkunde verbindet Himmel und Erde, Wissenschaft und Mystik, Blatt und Gebet.
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